Denkmotor
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Thinking Tools für kreatives und strukturiertes Denken

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Ist unsere Art zu denken etwas Vererbtes, das sich nicht verändern lässt? Oder können wir unser Denken und unsere Kreativität verbessern? Ich bin der Auffassung, dass wir alle unser Denken mit imaginären «Denkwerkzeugen» verbessern können und somit kreativer, effizienter und erfolgreicher arbeiten und leben.

Warum sollen wir uns überhaupt über das Denken Gedanken machen? Wir machen uns ja auch keine Gedanken zum Atmen, zum Gehen oder zum Sprechen. All dies funktioniert, ohne dass wir uns weiter darum kümmern müssen.

Die meisten von uns sind auch der Auffassung, dass sie ziemlich gut denken können und dass kein Handlungsbedarf besteht. Oder sie sind der Meinung, dass es langweilig und mühsam ist, sich über das Denken Gedanken zu machen. Genau darum geht es in diesem Artikel. Ich möchte aufzeigen, dass wir alle unsere Denkfertigkeit mit einfachen imaginären Denkwerkzeugen deutlich verbessern können – und dass dies auch noch Spass machen wird. Zugegeben, nicht jeder ist ein gleich guter Denker. Es gibt – wie auch im Sport – bessere und weniger gute Denker (oder Sportler). Wenn wir jedoch einem durchschnittlichen 1000m-Läufer ein Instrument – zum Beispiel ein Paar Rollschuhe – geben, wird er einen besseren Läufer überholen. Genauso verhält es sich beim Denken. Wer die verschiedenen Denkwerkzeuge anwendet, wird auch zu einem (noch) besseren Denker und wird bessere und kreativere Ergebnisse erzielen. Auch

Denken ist eine lernbare Fertigkeit

Denken ist eine Fertigkeit, die durch Training und Praxis deutlich verbessert werden kann. Denken unterscheidet sich also nicht von anderen Fähigkeiten wie zum Beispiel Zeichnen oder Seilspringen. Vera Birkenbihl hat an einem ihrer Seminare einmal gesagt: «Sie alle kommen an mein Seminar und meinen, dass Sie nach drei Stunden geniale Denker sind. Aber Sie glauben ja auch nicht im Ernst, dass Sie nach einer dreistündigen Karatelektion wirklich Karate können!» Karate wie Denken muss üben, wer ein Meister des Fachs werden will.

Viele sind auch der Auffassung, dass Denken mit Intelligenz zu tun hat. Dies trifft jedoch nicht unbedingt zu. Intelligente Menschen verfallen oft ihren eingefahrenen Denkmustern und versuchen, ihren Standpunkt mit möglichst guten Argumenten zu verteidigen. Ein guter Denker jedoch erfasst eine Themenstellung aus unterschiedlichen Standpunkten. Er sucht mehrere Lösungsvorschläge, überlegt sich die Konsequenzen jeder Variante und bewertet diese aus unterschiedlichen Perspektiven.

Es ist wie beim Autofahren: Ein starker Motor macht uns noch lange nicht zu besseren Fahrern. Der Denker, der die notwendigen Fertigkeiten besitzt, kann auch mit einem schwächeren Motor herausragende Resultate erreichen!

Der Hauptunterschied zwischen dem «schlechten» und dem «guten» Denker ist wohl, dass sich der gute Denker seines Denkvorgangs klar bewusst ist und sein Augenmerk auf diesen richtet. Edward de Bono, einer der führenden Denktrainer unserer Zeit, weist auf eine zweite Fehlüberlegung hin: Wir in der westlichen Welt sind der Auffassung, dass Wissen ausreicht, um Probleme zu lösen. Wissen allein genügt jedoch nicht mehr, um die kommenden Herausforderungen zu meistern. Das kreative, planerische und konstruktive Denken ist für die Gestaltung der Zukunft ebenso wichtig wie das Wissen selber. Im Folgenden werden zwei Denkwerkzeuge von Edward de Bono vorgestellt. Bei der ersten Technik geht es darum, den Kern beziehungsweise das Konzept einer Idee zu finden, um danach weitere Ideen zu generieren. Beim zweiten Denkwerkzeug handelt es sich um eine klassische Kreativitätstechnik.

Denktechnik «Konzepte»

Gute Denker haben die Fähigkeit, auf einem sehr allgemeinen, abstrahierten Level zu denken, das heisst zwischen der Makro- und der Metaebene hin und her zu springen. Die folgende Aufgabe soll dieses Hin-und-her- Springen aufzeigen und näher analysieren. «Wie können Sie ein Trinkglas, das mit Wasser gefüllt ist, leeren, ohne es anzufassen, zu bewegen oder zu zerstören?» Welche Lösungsvorschläge sind denkbar?

  • Wir könnten zum Beispiel einen Blumenstrauss ins Glas stellen und warten, bis die Blumen das Wasser aufgesogen haben.
  • Oder wir könnten das Wasser mit einem Schlauch absaugen.
  • Das Glas auch leeren, indem man das Wasser mit Druckluft herauspresst.
  • Möglich ist auch, das Glas einfach stehen zu lassen, bis das Wasser verdunstet ist.
  • Oder das Wasser mit einer Kältequelle zu gefrieren und den Eisblock anschliessend herauszuheben. Und das sind noch nicht alle Möglichkeiten!

Interessant wird es jedoch, wenn man die möglichen Lösungen etwas genauer anschaut. Aus allen genannten Möglichkeiten lassen sich genau drei Konzepte ableiten: absaugen, verdrängen und Energie zuführen.

  • Die Blume und der Wasserschlauch gehören zum «Konzept absaugen».
  • Die Druckluft gehört zum «Konzept verdrängen».
  • Verdunsten und Gefrieren gehören beide zum «Konzept Energie zuführen».

Es gibt nur diese drei Konzepte, um das Glas zu leeren. Haben wir einmal erkannt, welches Konzept hinter einem Lösungsvorschlag steht, ist es leicht daraus weitere Möglichkeiten abzuleiten. Wenn wir das «Konzept verdrängen» erkannt haben, können wir uns überlegen, wie das Wasser sonst noch verdrängt werden kann. Möglichkeiten dazu sind: Sand oder Quecksilber ins Glas füllen, das Wasser mit einem Ballon verdrängen.

Ein anderes Beispiel, um die Denktechnik mit Konzepten zu erläutern: Eine Fluggesellschaft möchte ihre Passagierzahl Städten erhöhen. In einem internen Brainstorming macht ein Mitarbeitender den Vorschlag: «Lasst uns doch eine Sommeraktion ‹Kinder fliegen gratis› machen!» Der Vorschlag wird wohlwollend aufgenommen. Eine Mitarbeiterin aus der Marketingabteilung ist jedoch der Meinung, dass der Ansatz zwar gut, die Aktion jedoch etwas abgedroschen sei. Sie fragt, ob hinter diesem ersten Vorschlag ein Konzept erkennbar sei. Die Brainstormenden erkennen es schnell: spezielle Preise für bestimmte Zielgruppen. Nun fliessen die Ideen nur noch so: Halber Preis für Grosseltern in Begleitung von Enkelkindern, Haustiere fliegen kostenlos mit, Pärchen auf der Hochzeitsreise zahlen nur einen Euro und so weiter.

Das Denken in Konzepten hilft, wenn zu einer Fragestellung nur eine oder eine unbefriedigende Antwort bereitsteht. Die Lösung heisst: den Lösungsvorschlag hinterfragen, einen Schritt zurücktreten und nachfragen: Was ist das Konzept, was der Kern oder die Abstraktion? Wenn dies erkennbar ist, werden sich weitere Lösungsmöglichkeiten finden.

Kreativitätsmethode „Zufallswort“

Sehr effizient und effektiv ist auch die Zufallswortmethode. Sie ist einfach, macht Spass und ist produktiv. Und sie funktioniert so:
Formulieren Sie schriftlich, wozu Sie eine Idee suchen. Zum Beispiel: «Wie können wir erreichen, dass unsere Weihnachtskarte den Kunden wirklich auffällt?»

  • Wählen Sie nach dem Zufallsprinzip einen Begriff (Hauptwort) aus einem Lexikon, einer Zeitung oder einem Buch.
  • Schreiben Sie vier bis sechs charakteristische Merkmale des zufällig gewählten Begriffs auf. Wenn Ihr Zufallsbegriff zum Beispiel «Benzin» war, dann könnten diese so lauten: explosiv, Energie spendend, geruchvoll, flüssig.
  • Versuchen Sie nun, zwischen Ihrem Thema (Weihnachtskarten) und jedem Merkmal Verbindungen herzustellen. Welche Ideen fallen Ihnen zu den einzelnen Merkmalen ein? Was fällt Ihnen zu «explosiv», «Energie spendend», «geruchvoll» ein?
  • Eine Tischbombe, die Weihnachtswünsche ausspuckt, wenn sie explodiert?
  • Eine Weihnachtskarte, die nach Tannenharz riecht und so vorweihnächtliche Gefühle versprüht?
  • Oder eine Karte in Form eines Wärmebeutels, an dem in kalten Wintertagen die Hände aufgewärmt werden können?
  • Wiederholen Sie nun diesen Vorgang mit einem oder zwei anderen Zufallswörtern.

Eingefahrene Denkmuster

Es ist auf den ersten Blick schwer vorstellbar, dass ein Zufallsbegriff nützlich ist, wenn wir nach neuen Ideen suchen. Unser menschliches Denken kann mit einem Fluss verglichen werden, der sich mit den Jahren immer tiefer in sein Flussbett frisst. Es fällt uns deshalb schwer, in ein neues Bett zu gelangen. Die Zufallswortmethoden kann uns helfen, wenn wir uns von alten Denkmustern lösen wollen. Dank den Zufallsbegriffen können wir unserem Denken eine neue, unerwartete und überraschende Richtung geben. Die Technik eignet sich vor allem, wenn es darum geht, schnell neue Ideen zu finden, wenn zu einem Thema völlig neue Überlegungen nötig sind oder wenn neue Produkte oder Dienstleistungen entwickelt werden sollen.

Bei den beiden Denkwerkzeugen «Konzepte» und «Zufallswort» handelt es sich um Instrumente, die uns zu besseren Denkern machen sollen.

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