Altes Denken – neues Denken

Unsere traditionellen Denkmethoden der Logik und Argumentation haben sich über die Jahrhunderte kaum verändert. Während diese Methoden ausgezeichnet geeignet waren in einer relativ stabilen Welt, sind sie für eine Welt des rapiden Wandels, wie wir sie heute erleben, kaum noch passend. Neue Konzepte und Ideen werden dringend benötigt – zum Beispiel «Die Sechs Denkhüte», eine Methode für kreativeres Denken.

Dem Niedergang des Römischen Rei­ches in Europa folgten Jahrhunderte, in denen barbarische Horden über die einstmals griechische und römische Zi­vilisation hinwegfegten. Lesen, Schrei­ben und die Schulung des Denkens fanden nur noch in grossen Kirchen­ und Klöstern statt. Diese Aktivitäten drehten sich um die Theologie und die Aufrecht­erhaltung des christlichen Glaubens. In der Renaissance schliesslich wurden die klassischen griechischen Denkmetho­den, Logik und Argumentation, wieder entdeckt.

Die drei Philosophen

Der Denkforscher Edward de Bono beschreibt die Philosophen Sokrates, Platon und Aristoteles als Urheber der Veränderungen des Denkverhaltens der westlichen Kultur. Zuerst erklärte Sokrates das Argument als das haupt­sächliche Denkwerkzeug und innerhalb des Arguments lehrte er das kritische Denken. Kritisches Denken fragte da­ nach: «Warum sagst Du das?» und «Was meinst Du?» Von Platon lernen wir, dass es eine Wahrheit gibt und wir nach ihr suchen müssen. Um sie zu finden, wurde das Unwahre mithilfe des kritischen Den­kens attackiert. Aristoteles lehrte, dass alle Dinge in Kategorien zu passen haben: Beispielsweise kann ein Gegen­stand nicht gleichzeitig ein Stuhl und kein Stuhl sein – entweder das eine oder das andere. In anderen Worten: Es gibt nur die eine richtige Wahl.

Kooperative Exploration statt Konfrontation

Diese neue Art des Denkens wurde bei ihrer Wiederentdeckung in der Renaissance vor allem von denjeni­gen begrüsst, die keinerlei Bindungen zur Kirche hatten, weil sie ihnen die Möglichkeit gab, die Kirche heraus­zufordern. Kurz darauf beriefen sich allerdings auch die Kirchengelehrten darauf, weil sie mit diesen Methoden Häretiker dingfest machen konnten. Tatsächlich übernahm so die gesamte westliche Welt diese klassischen grie­chischen Denktraditionen.

Bis auf den heutigen Tag beruht unsere westliche Kultur auf dieser Art des Denkens, dem «Ich habe recht und du hast unrecht». Jede Seite versucht, der anderen Seite durch Logik und Begrün­dung nachzuweisen, dass sie selbst im Recht ist. «Obwohl diese Argumentation durch­ aus sinnvoll sein kann, ist sie doch nicht ausreichend. Ihr fehlt die konstruktive Energie, der Wille zum Entwerfen und zur Kreativität.»

Heute brauchen wir neue Möglichkeiten, statt nur zwischen zwei Alternativen hin­ und herzudisku­tieren. Fehler herauszustellen, mag zu einigen Verbesserungen führen, aber es entwirft nicht automatisch etwas Neues. Um etwas Neues zu entwerfen, brau­chen wir das parallele Denken. Jeder Beteiligte entwickelt Gedanken paral­lel zu den Gedanken anderer, ohne zu bewerten oder zu attackieren. Die Me­thode der Sechs Denkhüte ist eine praktikable Art, dieses parallele Denken zu errei­chen. Sie erlaubt kooperative Explorati­on statt kontroverser Konfrontation.

Paralleles Denken mit den Denkhüten

Normalerweise versuchen wir, zu viel auf einmal zu erreichen. Wir beschäf­tigen uns beispielsweise mit Informa­tionen, bewerten diese gleichzeitig und suchen auch noch nach neuen Ideen. Die Sechs Denkhüte ermöglichen, das Denken zu entwirren und die einzelnen Aspekte zu separieren.

Bei den Six Thinking Hats wird man gebeten, beispielsweise mit dem gelben Hut Nutzen und Werte einer Idee zu finden – auch wenn man die Idee selbst nicht mag. Aber auch die euphorischen Befürworter der Idee werden unter dem schwarzen Hut über Gefahren und Schwierigkeiten befragt.

Wenn man jemandem sagt: «Seien Sie doch nicht so negativ», dann mag derjenige sich angegriffen fühlen. Wenn man jedoch sagen kann: «Was denken Sie unter dem gelben Hut?», dann steht das Thema im Vordergrund und nicht die persönliche Ansicht.

Dieses parallele Denken fokussiert alle Beteiligten zur gleichen Zeit in die gleiche Denkrichtung. Wenn man ein Thema gründlich durchdenken möchte, dann ist diese Vorgehensweise viel effektiver als die übliche kontro­verse Argumentation. Normalerweise werden bei Argumentationen nämlich bestimmte Punkte von den Personen nicht genannt, da sie damit ihren eigenen Stand­punkt schwächen würden. Im paral­lelen Denken ist das Ziel jedoch, so viele Punkte wie möglich unter jedem Hut zu fin­den. Das bringt eine Grup­pe dazu, alle ihre Ideen mitzuteilen, statt einzelne Standpunkte zu verteidi­gen.

Der Nutzen der Methode

Die Sechs Denkhüte stellen ein Sys­tem zur Verfügung, mit dem verschie­dene Denkrichtungen beschrieben wer­den. Beteiligten, die zum Beispiel nur die Nachteile einer Idee sehen oder ausschliesslich ihrer Intuition folgen, wird schnell klar, dass sie nur in einer Richtung denken. Jemand kann dann sagen: «Mir scheint, wir haben zu dem Thema bisher nur den roten Hut auf­ gehabt.» Das hilft, um von einer Den­krichtung in eine andere zu wechseln. Am Ende steht eine gut durchdachte Entscheidung.

Die Sechs Denkhüte verändern Verhalten, ohne die Personen zu attackieren. Die Methode ist einfach zu lernen und zu implementieren und produziert sofort Resultate.

Sie reduziert Konflikte, verstärkt die Kooperation auf allen Ebenen und gibt Individuen und Teams mehr Durchsetzungs­ fähigkeit. Die Six Hats ändern das Denken und mit einer Veränderung des Denkens öffnen sich neue Möglich­ keiten und Chancen.

Warum Hüte?

Es gibt im Eng­lischen eine tradi­ tionelle Verknüp­fung zwischen «Denken» und «Hut». So heisst zum Beispiel «Put on your thinking cap» etwa so viel wie: «Denk scharf nach.» Die Hüte und die Farben sind dazu entworfen worden, paralleles Denken zu einem praktikablen Mittel zu ma­chen, das leicht erlernt und genutzt werden kann. «Lasst uns alle einmal den gelben Hut aufsetzen und nach dem Nutzen dieser Idee schauen» – das leuchtet jedem ein.

Eine leistungsfähige Methode

Es gibt viele Gründe, eine Besprechung mit den Sechs Denkhüten durchzuführen:

  • Verwirrungen werden verringert und das Denken wird sortiert, sodass eins nach dem anderen getan werden kann.
  • Man kann andere darum bitten, von einer Denkrichtung in eine andere zu wechseln.
  • Man kann signalisieren, welches Den­ken als nächstes dran ist.
  • Das Ego wird vom Thema getrennt, das heisst, das Thema und nicht die Person steht im Vordergrund.
  • Das eindimensionale wird zum voll­ständigen Denken.
  • Themen werden parallel durch­dacht.
  • Für kreative neue Ideen wird bewusst eine bestimmte Zeit zur Verfügung gestellt.
  • Die Sitzungszeit kann bis zu 50 Prozent reduziert wer­den.

Wenn man Golf spielt, dann trägt man ver­schiedene Schläger in der Tasche: einen«Dri­ver» für die Schläge über eine grosse Distanz und ei­nen «Putter», um den Ball einzulochen. Genauso verhält es sich mit den Hüten. Jeder hat eine bestimmte Funktion, und man wählt wie beim Golfspielen den passenden Hut für die jeweilige Fragestellung.