Die zwei freien Tage kommen wie gerufen, …

… denn die letzte Arbeitswoche hat Sie ganz schön geschlaucht. Immer wieder haben Sie sich an veralteten Betriebsabläufen, ineffizienten Arbeitsprozessen und der Unfähigkeit zum Delegieren gewisser Führungspersonen aufgerieben. Doch das ist jetzt alles vergessen. Denn jetzt ist zum Glück das Wochenende da!

Und jetzt heißt es zuerst einmal: ausschlafen! Leider geht um 6:30 Uhr der Radiowecker los. Sie haben dummerweise vergessen, die Alarmfunktion auszuschalten. Im Halbschlaf tasten Sie nach dem Wecker und versuchen ihn auszuschalten. Doch Sie finden die richtige Taste nicht. Wahlweise schalten Sie den Bass-Subwoofer ein, lassen sich die Zimmertemperatur in Fahrenheit anzeigen oder die Uhrzeit in ultrastylishen Digitalziffern an die Zimmer­ decke projizieren. Ihr Radiowecker kann so vieles. Bloß auf Knopfdruck abschalten lässt er sich nicht. An Schlaf ist jetzt nicht mehr zu denken.

Um in die Gänge zu kommen, brauchen Sie jetzt dringend einen Kaffee. Das supermoderne berührungssensitive Dialogfeld Ihrer Kaffeemaschine fragt Sie, ob Sie einen doppelten Ristretto, einen Cortado oder vielleicht doch lieber einen Garoto wollen. Sie wollen nichts von alledem. Sie wollen einfach nur einen Kaffee!

Nachdem Sie sich vor dem Rasieren zehn Minuten lang nicht entscheiden können, ob Sie beim «Triple Action Free Float System» Ihres neuen Elektrorasierers die Option des integrierten «Shaving Conditioners» aktiveren sollen oder nicht, entschließen Sie sich, den Schwung des noch jungen Morgens zu nutzen, um endlich den neuen W­Lan­Router mit Ihrem PC zu verbinden.

Gemäß Bedienungsanleitung geht das ganz einfach. Sie müssen lediglich beachten, «dass am Speedport W 700V eine individuelle SSID und die Verschlüsselung WPA/WPA2 mit Preshared Key voreingestellt sind». Die Bedienungsanleitung gibt Ihnen deshalb die Order, kurz zu prüfen, ober der eigene W­Lan­Adapter eine «WPA2-Verschlüsselung unterstützt». Ernüchtert geben Sie auf.

Mittlerweile ist die Post gekommen. Ihr Versicherungsberater will Sie über die Vor- und Nachteile verschiedener Lebensversicherungsmodelle informieren. Er schreibt Ihnen, dass Sie die Wahl haben zwischen «statischen Zwei-Topf-Hybriden und dynamischen Drei-Topf-Hybriden, die mit endfälligen Garantiekonzepten auf Basis von Finanzderivaten und mit Absicherungen durch Rückversicherungsverträge miteinander wettstreiten». Um über den tieferen Sinn dieser kryptischen Botschaft nachzudenken, fehlt Ihnen jetzt leider die Zeit.

Denn Sie sind zum Mittagessen in der Stadt verabredet. Da die Parkplatzsituation in der City samstags immer ein wenig angespannt ist, wollen Sie rechtzeitig los. Als Sie losfahren, fängt der Gurtwarner Ihres voll automatisierten Autos an zu piepen, obwohl Sie angeschnallt sind. Er hält die Flasche Mineralwasser auf dem Beifahrersitz für einen Mitfahrer. In der City angekommen haben Sie Glück und finden einen Parkplatz. Das Bezahlen der richtigen Parkgebühr bereitet Ihnen jedoch Kopfzerbrechen. Zur Mindestgebühr für die erste angelaufene Viertelstunde muss für alle drei (!) weiteren Minuten ein bestimmter Betrag dazugerechnet werden. Hätten Sie sich doch in jungen Jahren bei Ihrer Studienwahl für ein Mathematikstudium entschieden – dann würde es Ihnen jetzt leichterfallen, auszurechnen, was zwei Stunden parken kosten!

Die Speisekarte im total angesagten chinesischen Restaurant ist dick wie ein Telefonbuch. Verzweifelt versuchen Sie in Erinnerung zu behalten, was sich schon wieder hinter den Speisen Nr. 23, 68, 94 und 116 verbirgt, die Sie für sich provisorisch in die engere Auswahl genommen haben. Schließlich bestellen Sie in einer Art panischer Übersprunghandlung die Nr. 55. Sofort beschleicht Sie die deprimierende Gewissheit, die falsche Wahl getroffen zu haben. Als Sie bezahlen wollen, stellen Sie erschrocken fest, dass Ihre Kreditkarte nicht mehr in Ihrem Portemonnaie steckt.

Um Schlimmeres zu verhindern, wollen Sie die Karte sofort sperren lassen. Das stellt sich jedoch als komplizierter heraus als gedacht. Denn sowohl die Notfallnummer, die es in einem solchen Fall anzurufen gilt, als auch die Kreditkartennummer, die Sie zum Sperren der Karte angeben müssen, stehen auf der Kreditkarte, die Sie ja nun bedauerlicherweise nicht mehr zur Hand haben. Nach einer etwas mühsamen Internetrecherche mittels Smartphone finden Sie eine Hotline-Nummer Ihres Kreditkarteninstituts. Nachdem Sie sich geduldig durch sieben Menüpunkte geklickt und drei Authentifizierungsfragen zufriedenstellend beantwortet haben, stellt die Mitarbeiterin am anderen Ende der Leitung fest, dass Sie in der falschen Abteilung gelandet sind. Beim Versuch, Sie manuell an die richtige Abteilung weiterzuverbinden, fliegen Sie aus der Leitung. Es braucht zwei weitere Anläufe, bis Sie die Karte endlich sperren können.

Nach dem Schrecken mit der Kreditkarte brauchen Sie jetzt dringend etwas Süßes. Beim Anblick der unvorstellbar großen Schokoladenauswahl in der berühmten Feinkostabteilung des stadtgrößten Kaufhauses erleiden Sie fast einen Zuckerschock. «85 % Edelbitter intensiv mit Mango-Lassi-Füllung», «Weiße Schokolade mit gefriergetrocknetem Spargel», «Halbherbe Lavendel­schokolade à la pointe de sel» und hundert andere Sorten buhlen um Ihre Gunst – bloß die ganz normale Milchschokolade, die Sie so gern haben, können Sie nicht finden. Nachdem Sie sich für eine dunkle Schokolade mit Chili und Orangen entschieden haben, von der Sie insgeheim bereits wissen, dass Ihnen die leicht gekünstelte Rezeptur nicht so recht schmecken wird, treibt Sie Ihr vorauseilendes schlechtes Gewissen in die Zahnhygiene-Abteilung.

Wer Schokolade isst, soll sich auch gründlich die Zähne putzen! Bloß mit wel- cher Zahnpasta? Bei der Auswahl zwischen «MultiCare Dental White», «Total Pro-Interdental Sensation Fresh» und «Expert Protection Ultra Complete» vergeht Ihnen das Lachen. Schweißgebadet flüchten Sie aus dem Kaufhaus.

Auf dem Nachhauseweg beschließen Sie, noch schnell bei Ihrem zweijährigen Patenkind vorbeizuschauen. Das Wetter ist schön, warum nicht ein kurzer Nachmittagsspaziergang im Grünen? Ihre spontane Idee wird mit Begeisterung aufgenommen. Bevor es losgehen kann, muss nur noch schnell das Oberteil des Luxuskinderwagens frisch montiert werden, das man – ist das nicht unglaublich praktisch?! – auch als Tasche tragen kann. Einziges Problem: Die Montage gelingt Ihnen nicht. Obwohl die Gebrauchsanweisung schwört, dass das ganz einfach geht. Sie müssen bloß «den Tragebügel zwischen Fußstützenverlänge- rung und Schutzbügelverstellung nach hinten klappen. Dann ziehen Sie die beiden Kunststoffösen innen im Wagen einfach nach oben und rasten die seitlichen Aluminiumstreben in die Kunststoffhalter am Boden. Zum Öffnen klappen Sie den Tragebügel nach oben, bis er einrastet, und drücken nur den Boden der Tragetasche nach unten.» Aus dem Spaziergang wird nichts.

Aber da Sie nun schon mal hier sind, können Sie der Mutter Ihres Patenkinds auch noch schnell helfen, den neuen Fernseher zu installieren. Der Entscheidungsprozess beim Kauf, so teilt Ihnen Ihre Bekannte mit, war eine wahre Odyssee. Sie wusste einfach nicht, ob ein TCL H32B3805, Samsung UE88JS9590, Samsung UE40J6250, LG 32LF561V, Grundig 32 VLE 5520 BG, Grundig 32 GFB 6621, SHARP LC­43CFE4142E oder Sharp LC­40CFE4042E der Richtige für Sie ist – dies vor allem deswegen, weil Sie immer wieder vergaß, welches Modell sich hinter welchem Namen verbarg. Nun aber hat sie sich endlich für ein Modell entschieden und mit dem vollautomatischen Installationsassistenten sollte die Inbetriebnahme des Geräts auch ganz einfach gehen. Dummerweise vertun Sie sich in einem Moment kurzer Unachtsamkeit in der Länderauswahl. Sie klicken auf Dänemark statt Deutschland. Kann passieren. Blöd nur: Jetzt können keine Programme mehr installiert werden. Leider kann die Länderauswahl so leicht nicht korrigiert werden.

Dazu muss zuerst der Fernseher auf seine Werkeinstellungen zurückversetzt werden. Wie das geht – so teilt Ihnen die beiliegende Bedienungsanleitung hilfsbereit mit –, steht in einer ausführli- cheren Gebrauchsanleitung, die auf der Webseite des Herstellers downgeloaded werden kann.

Als Sie am Abend wieder zu Hause sind, sind Sie komplett erschöpft. Nächstes Wochenende müssen Sie sich dringend von den Strapazen dieses Wochenendes erholen! Sie beschließen, für zwei Tage zu verreisen. Sie öffnen in Ihrem Smartphone Ihre neue Reise­App, mit der Sie kürzlich Ihre 14 bisherigen Reise­Apps ersetzt haben. Die Handhabung der App ist ganz leicht. Keine komplizierten Anleitungen rauben Ihren Verstand – die Nutzerführung erfolgt intuitiv und selbsterklärend. Die Abfrage des Touch­Fahrplans funktioniert auf die denkbar einfachste Art: Sie brauchen lediglich Bilder der gewünschten Destinationen auf dem Touchscreen zu berühren und können gänzlich auf eine Texteingabe verzichten. Die Fahrkarte kaufen Sie anschließend in wenigen Sekunden ganz bequem durch Wischen auf dem Display. Zwei Klicks später ist auch das Hotelzimmer reserviert. Glücklich legen Sie Ihr Smartphone weg und fallen zufrieden in einen tiefen Schlaf.

SIMPLICITY HAT GESIEGT.